Inhaltsangaben/Content notes: Tiere (Wölfe, Hunde)
„Gleich müssten wir da sein!“ Aufgeregt beobachtete Nelli, wie ihre Positionsanzeige ihrem Ziel auf der Karte immer näher kam. „Ohne GPS hätten wir das nie gefunden!“
Tobias grinste. „Ich hätte das hier nicht mal als Straße erkannt!“ Er lenkte den großen Geländewagen über eine Piste, die man zuhause in Deutschland bestenfalls als selten benutzten Feldweg bezeichnen würde.
Sie erklommen einen der felsigen Hügel, die in dieser Gegend willkürlich aus dem Boden gewachsen zu sein schienen, und ließen oben gleichzeitig einen Laut der Ehrfurcht ertönen. Der Anblick, der sich ihnen bot, war atemberaubend: Nur wenige Meter tiefer, im Krater des ehemaligen Vulkans, befand sich ein kleiner See von einem so intensiven Himmelblau, dass man den eigenen Augen kaum trauen mochte.
„Unglaublich“, murmelte Tobias andächtig. Er stellte den Motor ab und Stille senkte sich über die Gegend.
„Dass es solche Farben wirklich gibt!“, sagte Nelli fasziniert. „Komm – angeblich ist das Wasser warm und man kann drin baden!“
Begeistert und voller Vorfreude stiegen die beiden aus und näherten sich dem unwahrscheinlich intensiv gefärbten Kratersee. Tobias machte gerade die Kamera bereit, als Nelli ihn am Arm berührte.
„Schau mal“, sagte sie und wies mit einer Hand ans gegenüberliegende Ufer. „Was ist das denn?“
Tobias kniff die Augen zusammen, konnte aber dennoch nichts als einen schwarzen Fleck erkennen. „Da treibt irgendwas im Wasser“, antwortete er. „Warte mal.“ Er sah durch den Sucher der Spiegelreflexkamera, die mit einem Teleobjektiv ausgestattet war.
„Und? Kannst du’s sehen?“
Tobias ließ die Kamera sinken und sah seine Freundin verblüfft an. „Da ist ein Hund im Wasser, glaub ich. Er bewegt sich aber nicht.“
Nelli griff nach dem Fotoapparat und warf selbst einen Blick durch den Sucher. „Du hast recht“, murmelte sie erstaunt. Sie sah Tobias unsicher an. „Meinst du, wir sollten nachschauen gehen? Vielleicht kann man ihn retten?“
Er biss sich auf die Unterlippe und sah wieder zum anderen Ufer hinüber. Dann schüttelte er den Kopf. „Ich mach mir viel eher Gedanken, ob was mit dem Wasser nicht stimmt. Was, wenn es doch irgendwie giftig ist?“
Nelli wollte antworten, aber in diesem Moment ertönte ein Platschen und Schnaufen, weil der völlig durchnässte Hund sich regte und gemächlich zum Ufer zurückzupaddeln begann. Die beiden Menschen beobachteten erleichtert, wie das Tier sich gründlich schüttelte und zu einem Geländewagen trabte, den sie aufgrund seiner Farbe und Parkposition bisher völlig übersehen hatten. Kurz darauf setzte sich ein Mann hinters Lenkrad des Fahrzeugs und fuhr davon. Nelli und Tobias waren allein am himmelblauen See.
„Wie’s aussieht, baden hier nicht nur Menschen gern!“ Nelli lachte und sah ihren Freund dann verführerisch an. „Wir sind ganz allein. Sollen wir nackt rein?“
Viktors Herz klopfte immer noch wie wild, während er eilig sein Auto vom Vulkankrater hinunter und in Richtung seines Zuhauses lenkte. Da fuhr er extra fast eine Stunde, um seine Ruhe zu haben, und dann tauchten da Touristen auf! Dieses verdammte Google Maps führte die Leute langsam an jeden noch so verlassenen Winkel. Gut, dass er sie überhaupt entdeckt hatte! Hoffentlich hatten sie keine Fotos geschossen – insbesondere von seiner Rückverwandlung in einen Menschen.
Diese verdammte Technik. Irgendwann würde es gar kein Fleckchen mehr geben, an denen man sich als Werwolf einfach mal in Ruhe entspannen konnte.