Nachwuchs

Inhaltsangaben/Content notes: Kinder (Babys), Tiere (Wölfe)

Voll Freude hob Amrit die Hand und winkte, kaum, dass er die Autotür hinter sich zugeschlagen hatte. Er überließ es Beatrix, das Fahrzeug abzuschließen, und eilte mit großen Schritten und ausgestreckten Armen auf Chris zu, die ihn am Rand des Wanderparkplatzes mit einem stolzen Lächeln erwartete.
„Wie schön, dich endlich zu sehen!“ Er zog sie an seine Brust und drückte sie behutsam an sich. „Wie geht es dir? Wie geht es den Babys?“
Sie lachte vergnügt. „Großartig! Wirklich großartig. Gerade schlafen sie.“
Beatrix trat hinzu und gab Chris einen Kuss auf die Wange. „Schön, zu hören, dass es euch dreien gut geht.“ Sie hob einen Jutebeutel an und überreichte ihn Chris mit einem verlegenen Gesichtsausdruck. „Ich war mir nicht ganz sicher, was sinnvoll wäre, aber ich wollte euch so gerne was schenken.“
Chris nahm ihr die Tasche ab, griff neugierig hinein und zog den erstbesten Gegenstand heraus. „Ein Ball? Das ist ja toll!“ Sie strahlte Beatrix an. „Danke! Es dauert noch ein bisschen, bis sie mit ihm spielen können, aber das macht nichts.“
Endlich lächelte auch Beatrix. „Ich habe extra weiche, kuschlige genommen. Ich dachte, im schlimmsten Fall sind sie einfach nur Kissen.“
„Sie?“ Überrascht sah Chris in den Beutel. Als sie fünf weitere Stoffbälle darin entdeckte, lachte sie auf. „Aber warum so viele?“
Amrit übernahm die Erklärung. „Wir dachten, dann kann man immer ein Paar waschen. So hast du immer sauberes Spielzeug für die zwei Racker.“
„Verstehe.“ Chris grinste. Das war typisch für ihre Freunde. Sie legte den ersten Ball in den Beutel zurück und sah die beiden auffordernd an. „Na, dann kommt mal mit, damit ich sie euch vorstellen kann!“

Leises Wimmern drang an ihre Ohren, als sie sich der Familie näherten. Chris eilte voraus, schob ihre nach den Babys sehenden Schwester beiseite, kniete sich neben die beiden Kinder und streichelte dem einen, das kurz davor war, sein Geschwisterchen zu wecken, sanft über den Kopf. Doch statt Trost zu spenden, löste die Berührung eine noch stärkere Reaktion aus. Die Laute des Babys wurden dringlicher, sodass Chris es behutsam in die Arme nahm und ein wenig hilflos wiegte.
„So hab ich noch nie …“, begann sie, wurde dann aber von ihrem zweiten Kind abgelenkt, das nun auch aufgewacht war und ebenso lautstark auf sich aufmerksam machte.
„Hier, halt mal“, sagte Chris kurz entschlossen, drückte Amrit das wimmernde Bündel in die Hand, zog sich rasch das weite Kleid über den Kopf und wurde Wolf. Mit wenigen Schritten eilte sie zu dem zweiten Säugling hinüber, legte sich hin, leckte ihn beruhigend ab und schob ihn sanft mit der Schnauze an ihre Zitzen.
Amrit kniete sich neben sie und bette auch das erste Wölfchen zu seinem Geschwisterchen. Doch der Knirps hielt suchend die Nase in die Luft und kroch wieder auf ihn zu.
„Sieh nur“, meinte Amrit lachend zu Chris und fing den Ausreißer ein. „Da ist jemand neugierig auf die Wölfe in Menschengestalt.“ Beim zweiten Versuch fand der Welpe die Zitze und begann, seinen Hunger zu stillen.

Beatrix stand im Wald und sah lächelnd auf die Szenerie hinab. Außer Chris hatte es in dieser Gegend schon sehr lange keine wolfsgeborenen Werwölfe mehr gegeben. Er hoffte, dass diese beiden sich ab der Pubertät auch würden verwandeln können. Wann war die wohl bei Wölfen?
Sie würde es hoffentlich erleben.

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