Frieden

Inhaltsangaben/Content notes: Tiere (Wölfe)

Es war eine wundervolle Nacht. Die Luft war klar und trocken, roch nach dem ersten Heu, duftenden Blüten und dem nahen Wald. Der Mond stand in seiner ganzen Pracht am Himmel und beleuchtete die Umgebung fast so hell, als sei es Tag. Überall auf der Wiese, auf der sie miteinander herumgetollt waren, sobald die Tageshitze mit dem Sonnenuntergang endlich ein wenig abgenommen hatte, zirpten Grillen im Chor.
Lange hatten sie gespielt, Quatsch gemacht, gelacht und ihre gemeinsame Zeit genossen. Und dann hatten sie sich einfach so, wie sie waren, ins Gras fallen und die friedliche Umgebung auf sich wirken lassen.

Nun wachte er auf, weil ihn etwas an der Nasenspitze kitzelte. Mit einem leisen Knurren rümpfte er die Nase und versuchte, das, was ihn da berührte, mit einer leichten Kopfbewegung zu verscheuchen. Als es nicht half, öffnete er ein Auge, um den Störenfried zu identifizieren.
Der Anblick ließ ihn grinsen. Im Schlaf hatten sie sich eng aneinandergeschmiegt und die Wärme des jeweils anderen genossen. Irgendwann musste sie sich so gedreht haben, dass ihre Schwanzspitze nun direkt an seinem Gesicht lag. Als ob es Absicht wäre – doch ihr Atem ging immer noch ruhig und entspannt. Er wollte sie keinesfalls wecken und blieb daher ruhig liegen.
Ob sie im Traum Kaninchen nachjagte? Oder erinnerte sie sich an ihr Spiel und erlebte es ein weiteres Mal? Ab und zu zuckte ihr Schwanz leicht, sodass er sich sicher war, dass sie in Gedanken irgendeine Aktivität genoss.
Liebevoll schob er seine Nase in ihr Fell. Es war so voluminös, dass sie fast gänzlich darin verschwand, bis er endlich ihre Haut berührte. Dass er sie so berühren durfte, sie sogar eng an ihn gekuschelt tief schlief, zeugte von dem großen Vertrauen, das sie ihm entgegenbrachte und das er aus vollem Herzen erwiderte. Sie war ein wunderbarer Wolf. Eine großartige Persönlichkeit. Und seine wirklich beste Freundin.
Der leise Ruf einer Eule tönte vom Waldesrand herüber und weckte sie. Verschlafen hob sie den Kopf, sah ihn an und gähnte.
Alles okay, wollte er ihr sagen. Wir können noch eine ganze Weile schlafen. Der Tag ist noch weit. Da er es aber nicht aussprechen konnte, rieb er nur seinen Kopf an ihrem, leckte ihr liebevoll die Schnauze, gab ein beruhigendes Brummen von sich, und streckte sich wieder aus. Er würde diese Ruhe und den Frieden noch in vollen Zügen auskosten, bevor es Zeit wurde, wieder Mensch zu werden.

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